Unter dem Begriff Bioburden versteht man die mikrobielle Kontamination eines Medizinproduktes vor dessen Sterilisation. Die Bioburden-Belastung ist die Summe aller Mikroorganismen aus unterschiedlichen Quellen, einschließlich der Rohstoffe, der Herstellung von Bauteilen, der Montageverfahren, der Umgebung bei der Herstellung, der Hilfsmittel zur Montage und Herstellung, der Reinigungsverfahren und der Verpackung des endgefertigten Produkts. Deshalb bietet die Bestimmung der Bioburden von Medizinprodukten eine Möglichkeit, die Wirksamkeit aller produktionshygienischen Schritte am Endprodukt zu überprüfen und zu bewerten.
Es ist nicht möglich, die Keimbelastung zahlenmäßig genau darzustellen, da viele Faktoren die Bioburden-Ermittlung beeinflussen können. In der Praxis erfolgt eine Bestimmung der Bioburden nach einem festgelegten Verfahren, das neben der Quantifizierung bzw. der Abschätzung der Mikroorganismen auch eine Charakterisierung der Population beinhaltet. Wegen der großen Vielfalt von Materialien für die Herstellung und Konstruktion von Medizinprodukten und der damit verbundenen unterschiedlichen Oberflächenhaftung der Keime wird aber in der DIN EN ISO 11737-1 nicht ein einzelnes Verfahren zur Bestimmung der Bioburden festgelegt, sondern es werden unterschiedliche Verfahrensparameter vorgestellt.
Das gleiche gilt für die riesige Anzahl an unterschiedlichen Mikroorganismen, die auf den Medizinprodukten vorkommen können. Auch dafür steht in der DIN EN ISO 11737-1 eine große Auswahl an entsprechenden Spüllösungen und Kulturmedien samt Inkubationsbedingungen in unterschiedlichen Kombinationen zur Verfügung, damit die für das Medizinprodukt optimalen Bedingungen angewandt werden können. Das von der GfPS benutzte Verfahren berücksichtigt die unterschiedlichen Bedürfnissen der Mikroorganismen: Langsam wachsende Pilze müssen anders kultiviert werden als schnell wachsende Bakterien. Anaerob wachsende Bakterien können nur unter Luftsauerstoff-Ausschluss wachsen.
Ein Schwerpunkt der DIN EN ISO 11737-1 wird auf die mikrobiologische Charakterisierung der Keimbelastung gelegt. Durch diese können Veränderungen an der Mikroflora des Produkts ermittelt werden, die eventuell Einfluss auf die Sterilisationsvalidierungen haben können. Die Charakterisierung erfolgt bei der von der GfPS angewandten Methode routinemäßig im Rahmen der Quantifizierung der Keimbelastung.
Die Festsetzung der Bioburdengrenzwerte erfolgt durch den Hersteller. Dabei gibt die DIN EN ISO 11737-1 Hilfestellungen, um die Warngrenzen zu bestimmen. Dazu muss zunächst der Mittelwert und die Standardabweichung pro Produktgruppe bestimmt werden.Eine Bioburden-Warngrenze (oder Aktionsgrenze) ergibt sich aus der Summe des Mittelwertes und der doppelten (oder dreifachen) Standardabweichung.
Nach DIN EN ISO 11737-1 ist die Validierung des Bioburden-Verfahrens unabdingbar. Es werden zwei unterschiedliche Methoden zur Validierung der Bioburden-Wiederfindungsrate in der Norm vorgestellt:
1. Validierung mittels wiederholender Rückgewinnung (bei relativ hoher natürlicher mikrobieller Kontamination des Produkts)
Dabei werden drei Muster wiederholt dem ausgewählten Bioburden-Verfahren unterzogen. Aus dem Verhältnis zwischen der Anzahl der Kolonien nach der ersten Anwendung zur Gesamtkoloniezahl lässt sich eine Rückgewinnungsrate ermitteln.
2. Validierung mit Hilfe von beimpften Produktmaterialien (bei niedriger natürlicher Kontaminationsrate des Produkts)
Dazu werden fünf (sterile) Muster mit einer definierten Keimzahl von z. B. Bacillus atrophaeus kontaminiert und nach dem Antrocknen dem ausgewählten Bioburden-Verfahren unterzogen. Aus dem Verhältnis zwischen der Anzahl der vom Produkt abgelösten Keime zur Gesamtkeimzahl, mit der das Produkt kontaminiert wurde, lässt sich eine Rückgewinnungsrate ermitteln.
Aus beiden beschriebenen Methoden wird ein Korrekturfaktor ermittelt, der mit den Keimzahlen aus den routinemäßig durchgeführten Bioburdenbestimmungen multipliziert, die Schätzwerte der Keimbelastung ergibt.
Eine Bioburden-Revalidierung bzw. -Neuvalidierung muss nach DIN EN ISO 11737-1 in festgelegten Zeitabständen erfolgen. Dabei wird dann der Umfang der Neuvalidierung festgesetzt. Dies kann dann auch bedeuten, dass eine theoretische Betrachtung ausreichend ist.Veränderungen am Produkt und/oder den Herstellungsverfahren müssen überprüft und bewertet werden und führen dann ggf. zu einer Neuvalidierung.
Der LAL Test ist bei allen Medizinprodukten durchzuführen, die als pyrogenfrei deklariert werden. Dies sind hauptsächlich solche Medizinprodukte, die Kontakt zu Blut oder Rückenmarksflüssigkeit (= intrathekale Anwendung) haben. Der LAL Test dient zum qualitativen bzw. quantitativen Nachweis von Endotoxinen. Der Test ist hoch spezifisch und sehr sensibel (ca. 100-fach empfindlicher als der Kaninchen-Fiebertest), so dass keine anderen Gruppen von Pyrogenen nachgewiesen werden können. Deshalb ist eine Untersuchung auf das Vorhandensein von Pyrogenen (mittels LAL Test) nach der Sterilisation ein entsprechendes Freigabe-Kriterium, wenn das Produkt als steril und pyrogenfrei deklariert wird. Die Durchführung des LAL-Tests ist in der Ph.Eur. unter Kapitel 2.6.14 „Prüfung auf Bakterien-Endotoxine“ und in der USP in Kapitel <85> „Bacterial Endotoxins Test“ beschrieben.
Unter Pyrogenen fasst man fiebererzeugende Stoffe zusammen. Pyrogene Substanzen sind hitzebeständige, dialysierbare (also sehr kleine) Stoffe von apathogenen und pathogenen Bakterien, Pilzen und Viren. Diese sind in kleinsten Mengen wirksam: ca. 0,2 µg / kg Körpergewicht bewirken bei höheren Tieren und beim Menschen nach intravenösen Injektionen Fieber.
Endotoxine sind eine Gruppe von Pyrogenen , die die höchste Wirksamkeit besitzen. Es handelt sich dabei um Zellwandbestandteile von gram negativen Bakterien (z. B Enterobakterien und Pseudomonaden). Dies sind hochmolekulare Komplexe aus einer Polysaccharid-, Protein- und Lipidkomponente. Der Nachweis der Endotoxine erfolgt im Tierversuch (Kaninchenfieber-Test) oder biochemisch (LAL-Test). Da Tierversuche wenn möglich nicht mehr durchgeführt werden sollen, wird momentan auch diskutiert, ob der Kaninchenfiebertest nicht komplett im Europäischen Arzneibuch gestrichen und durch den LAL-Test gänzlich ersetzt werden soll. Allerdings kann der LAL-Test wegen bestimmter Störfaktoren durch Materialien, die hemmende oder verstärkende Eigenschaften besitzen, nicht immer eingesetzt werden. Deshalb ist die Validierung des LAL-Tests unerlässlich.
Die Anzahl der Muster für die LAL-Validierung ist in den Vorgaben der zurückgezogenen FDA-Guideline und der ANSI/AAMI ST72 beschrieben. Die Anzahl der zu untersuchenden Muster richtet sich dabei nach der Chargengröße:
Chargengröße / Proben pro Charge
< 30 / 2 Stück
30 – 100 / 3 Stück
> 100 / maximal 10 Stück
Allerdings sollte man bei routinemäßig durchgeführten Pool-Untersuchungen (= mehrere Artikel werden in einem LAL-Test gepoolt untersucht) darauf achten, dass bei der Validierung alle Produkte berücksichtigt wurden. Es sollten insgesamt drei Validierungsläufe (an drei unterschiedlichen Chargen) durchgeführt werden. Im Rahmen der Testvalidierung wird der Test auf Hemmung und Verstärkung durchgeführt. Dabei wird ein Vergleich zwischen einer Endotoxin-Verdünnungsreihe in Wasser und einer Endotoxin-Verdünnungsreihe der Testlösung (Eluat bzw. Extrakt, Verdünnung unterhalb der maximal zulässigen Verdünnung) durchgeführt. Die Probe weist dann keine Hemmung und Verstärkung auf, wenn die Ergebnisse der Endotoxin-Verdünnungsreihe der Testlösung nicht mehr als eine Verdünnungsstufe von der Endotoxin-Verdünnungsreihe in Wasser abweicht. Ansonsten müssen die interferierenden (Stör-) Faktoren beim Test auf Hemmung und Verstärkung entfernt werden (Neutralisation, Filtration, Hitzebehandlung, weitere Verdünnung usw.).
Die GfPS führt Sterilitätsprüfungen nach ISO 11737-2 oder Amerikanischem Arzneibuch USP oder Europäischem Arzneibuch EP durch.
Die Musteranzahl ist für Medizinprodukte im EP nicht definiert. Laut USP sollten 2×20 Muster (im Pool) untersucht werden. Die ISO 11737-2 macht keine Angaben, empfehlenswert sind aber Prüfmuster-Anzahlen von 10 Stück, die im Einzeltest untersucht werden. Die Durchführung der Sterilitätsprüfung erfolgt nach den in den Arzneibüchern definierten Vorgaben (die ISO 11737-2 verweist auf die USP).
Für die Sterilitätsprüfungen von Medizinprodukten wird üblicherweise die Inokulationsmethode (Direktbeschickungsmethode) angewendet: Das oder die zu untersuchenden Muster werden in die flüssigen Nährmedien überführt und diese dann inkubiert. Für die Sterilitätsprüfungen von flüssigen Produkten wird üblicherweise die Membranfiltrationsmethode angewendet: Das oder die zu untersuchenden Produkt(e) werden zunächst membranfiltriert. Anschließend wird der Filter in flüssige Nährmedien überführt und diese dann inkubiert. Falls die Produkte antimirobielle Eigenschaften aufweisen, so kann der Filter vor dem Überführen in Nährlösung bis zu fünfmal mit je 100 ml Spüllösung gewaschen werden, um Rückstande des Produkts auszuwaschen.
Für die Arzneibuch-Prüfungen werden zwei Medien verwendet, Caseinpepton-Sojamehlpepton-Bouillon (TSB) sowie Thioglykolat-Bouillon (THB). Die Medien selbst werden vor der Durchführung der Sterilitätsprüfung auf Keimfreiheit sowie Wachstum bestimmter Testkeime überprüft. Die Nährmedien werden mindestens 14 Tage bei 30 – 35 °C (Thioglykolat-Bouillon) bzw. 20 – 25 °C (Caseinpepton-Sojamehlpepton-Bouillon) inkubiert.
Für die Sterilitätsprüfung nach ISO 11737-2 wird Caseinpepton-Sojamehlpepton-Bouillon (TSB) verwendet. Auch dieses Medium wird vor der Durchführung der Sterilitätsprüfung auf Keimfreiheit sowie Wachstum bestimmter Testkeime überprüft. Die Inkubation beträgt 14 Tage bei 30 +/- 2 °C.
Während der 14-tägigen Inkubationszeit werden die Gefäße mit den Medien werktäglich auf makroskopisch sichtbares Wachstum von Mikroorganismen überprüft. Sind die Gefäße vor dem 14. Tag positiv, kann die Inkubation beendet werden.
Nach dem Inkubationsende oder parallel zur Sterilitätsprüfung erfolgt zur Validierung der Testmethode der Method-Suitability-Test. Da die Bewertung des Method-Suitability-Tests auf dem Vergleich des Wachstumsverhaltens der Testkeime beruht, ist ein Test in Produkt-An- und Abwesenheit unbedingt notwendig. Für den Method-Suitability-Test werden definierte Keimkonzentrationen von < 100 KBE eingesetzt, die Bewertung erfolgt qualitativ durch die visuelle Wachstumskontrolle.Dieser Test ist immer dann durchzuführen, wenn neue Produkte untersucht werden sollen oder aber, wenn eine Veränderung in den Versuchsbedingungen stattgefunden hat. Die Inkubationsdauer desMethod-Suitability-Tests wird mit maximal 5 Tagen angesetzt.
Abklatschnährmedien sind für die Bestimmung der Keimzahl auf glatten, trockenen Oberflächen sowie für die Personalhygiene (Textilien und Handschuhe bzw. Hände) geeignet.
Die Schalen für das Abklatschnährmedium haben einen Innendurchmesser von 55 mm. Die Agaroberfläche wölbt sich über den oberen Rand des Schalenbodens. Die Schalen tragen auf der Unterseite ein Gitternetz mit Zählquadraten von 1 cm2 Größe, welches für die spätere Auswertung verwendet werden kann.